Schilddrüsen-Karzinom beim Hund

Dr. med. vet. P. Müller • August 2, 2025

Zaza, Mischling, weiblich-kastriert, 12 Jahre alt



Im April berichtet uns der Besitzer von Zaza anlässlich der Jahresimpfung, dass der Hund eine Schwellung an der Halsunterseite nahe des Brustkorbes aufweise. Zaza geht es sonst gut, sie zeigt guten Appetit und hat keine Probleme bei der Atmung oder dem Schluckakt.

Der ertastete Knoten ist eher hart, wohl 10 cm im Durchmesser, schmerzfrei, unregelmässig geformt und schlecht verschieblich. Aufgrund der Lokalisation besteht die Befürchtung, dass es sich um einen Schilddrüsentumor handeln könnte, und das Problem wird weiter abgeklärt.


Untersuch, Röntgen und Feinnadelaspiration

Wir untersuchen den Knoten mittels Ultraschall. Er ist sehr gut durchblutet und zum Teil verkalkt, was ebenfalls zu einem schnellwachsenden Schilddrüsentumor passen würde. Das Lungenröntgen zeigt eine geringe Menge an Flüssigkeit zwischen der Lunge und dem Brustkorb und weckt den Verdacht, dass auch in der Lunge Knoten vorhanden sind. Wir entnehmen mit einer feinen Nadel Zellen der Masse am Hals zur pathologischen Untersuchung, um zu klären, um welches Krebsgeschehen es sich handelt. Leider ist die Probe nicht diagnostisch (d.h. sie enthält neben Blut keine Zellen), weshalb wir den Hund zur Abklärung an eine Klinik überweisen.


Diagnosesicherung: CT und Biopsie

In der Klinik wird unter Narkose ein Computertomogramm (CT) des Halses, des Brustkorbs sowie Teilen der Bauchhöhle angefertigt und die Masse biopsiert - hierbei werden nicht nur einzelne Zellen, sondern ganze Gewebestücke entnommen, was die Diagnose sicherer macht. Nicht ganz überraschend wird nachgewiesen, dass es sich beim Tumor um einen bösartigen Schilddrüsentumor handelt. Im CT ist ersichtlich, dass sich in der Lunge und wahrscheinlich auch in den lokalen Lymphknoten Ableger (Metastasen) gebildet haben.


Bestrahlung

Was nun? Wir beraten uns mit der onkologischen Abteilung des Tierspitals Zürich. Die Entfernung der veränderten Schilddrüse ist chirurgisch nicht machbar, und auch die Lungenmetastasen sind nicht operativ entfernbar.

Die Beratung der Onkologin zeigt aber auf, dass die Situation nicht ganz so hoffnungslos ist wie befürchtet: Zwar ist der Hund nicht heilbar, Schilddrüsentumoren sprechen aber gut auf eine Bestrahlung an; und die Ableger in der Lunge machen meist längere Zeit keine Probleme. Im Normalfall kann nach Bestrahlung und Einsatz einer sogenannten "metronomischen Chemotherapie" davon ausgegangen werden, dass der Tumor während etwa einem Jahr gestoppt werden kann.

Nach einem längeren Gespräch und Abwägen von Vor- und Nachteilen entschliesst sich der Besitzer zur Therapie des Hundes.

Zaza erhält in 5 Sitzungen während einer Kurznarkose am Tierspital Zürich eine stereotaktische Bestrahlung: Zuerst wird ein weiteres CT angefertigt, bei dem der Tumor genau vermessen und dreidimensional dargestellt wird. Eine Form wird angefertigt, in welche Zaza jeweils bei der Bestrahlung gelegt wird, um sicherzustellen, dass sich der Tumor in der exakt gleichen Position befindet. Der Krebsgeschwulst wird dann aus verschiedenen Richtungen bestrahlt; dadurch wird erreicht, dass der Tumor die grösstmögliche Strahlenmenge erhält, während das umgebende Gewebe möglichst von Nebenwirkungen verschont bleibt.

Zaza übersteht die Bestrahlungssitzungen gut. Wie zu erwarten zeigt sie einen leichten Haarverlust an der Halsunterseite, und zu Beginn ist aufgrund der Reizung der Speiseröhre durch die Bestrahlung der Appetit etwas reduziert.

Die metronomische Chemotherapie (siehe unten) kann aber wie geplant gestartet werden.


Wissenschaftliches

Schilddrüsentumoren beim Hund entstehen vor allem bei älteren Tieren und sind meistens bösartig - d.h. sie bilden schnell Tochtergeschwulste in anderen Organen. Meistens bestehen zum Zeitpunkt der Diagnose also schon Metastasen, insbesondere in der Lunge. Die Feinnadelaspiration liefert als weitgehend schmerzfreie und risikolose Methode bei vielen Krebsgeschehen eine Diagnose, indem einzelne Zellen aus der Geschwulst gesaugt werden. In gewissen Fällen können so aber keine Krebszellen gesammelt werden, was eine Biopsie (Herausstanzen eines ganzen Gewebestückes) in Vollnarkose nötig macht.

Wie bei allen Krebsgeschehen ist es wichtig, dass nach der Diagnosestellung in einem ausführlichen Gespräch mit den Besitzern die Möglichkeiten und Grenzen einer Behandlung diskutiert werden. Neben den rein medizinischen Faktoren (medizinisch mögliche Behandlungen, zu erwartenden Nebenwirkungen, Erfolgschancen einer Therapie, aber auch die finanzielle und zeitliche Belastung der Besitzer) müssen auch die ethischen Aspekte einer Krebsbehandlung berücksichtigt werden. Nicht für jede Besitzerschaft "stimmt es", wenn alle technischen Möglichkeiten ergriffen werden; und nicht jede medizinisch mögliche und vom Besitzer gewünschte Behandlungsform macht aus tierärztlicher Sicht in einem konkreten Fall auch Sinn und ist ethisch verantwortbar. Hier ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Tierarzt und Besitzer essentiell, und die Vor- und Nachteile müssen in einem Gespräch sorgfältig abgewogen werden.
Bei Zaza war die Aussicht, dem Hund mit recht grosser Wahrscheinlichkeit ein weiteres Lebensjahr schenken zu können, für den Besitzer ausschlaggebend. Er war ausserdem in der Lage, die entstehenden Kosten und die zeitliche Belastung durch die vielen Tierarztbesuche zu stemmen.

Unter einer "metronomischen Chemotherapie" versteht man eine medikamentelle Krebsbekämpfung, bei welcher die Krebsmedikamente in tiefen Dosen und in Tablettenform längerfristig verabreicht werden. Dadurch wird das Wachstum von Krebszellen (z.B. von Metastasen) gehemmt; die Medikamente bewirken wegen der geringen Dosis aber kaum Nebenwirkungen und können durch die Besitzer selbst verabreicht werden.

Ein gutes Erklärvideo zur Bestrahlungstherapie am Tierspital Zürich findet sich hier.


Bitte beachten Sie, dass der Autor dieses Fallbeschriebs keine Auskünfte zu allfälligen ähnlich gelagerten Fällen geben kann. Wünschen Sie eine online-Zweitbeurteilung zu Ihrem Tier, kann diese als kostenpflichtiges Konsilium nach Einschicken aller notwendigen Unterlagen an den Autor erfolgen.

Vielen Dank.


© Dr. med. vet. P. Müller / Lyssbachvet


Letzte Beiträge

By Dr. med. vet. P. Müller July 8, 2025
RURKA, Tervueren, weiblich, 8 Wochen alt
By Dr. med. vet. P. Müller June 1, 2025
PANDORA, Deutsche Dogge, weiblich, 3 Jahre alt 
By Dr. med. vet. P. Müller May 1, 2025
KAUNIS, Europäischer Schlittenhund, weiblich-kastriert, 10 Jahre alt
Show More