Analbeutelabszess bei einem Hund
JAKUMI, Cocker Spaniel, weiblich, 11 Jahre alt
Vor zwei Wochen beobachteten die Besitzer erstmals, dass Jakumi nicht sich selbst war - sie zeigte keinen Appetit, schlief viel und wollte sich nicht berühren lassen. Anschliessend ging es der Hündin wieder besser, seit 2-3 Tagen geht es ihr aber wieder schlechter. Mehrmals nahm sie ausserdem die Stellung zum Kotabsatz ein, nur um anschliessend keinen oder nur eine geringe Menge eher weichen Kot abzusetzen.
Untersuch
Der allgemeine Untersuch ist weitgehend unauffällig, Jakumi hat aber mit 39.8° eine erhöhte Körpertemperatur. Beim Abtasten des Enddarms zeigt sich, dass die Gegend rechts des Afters verhärtet, leicht warm und möglicherweise schmerzhaft erscheint. Die Haut der Dammregion erscheint nach Ausscheren leicht rötlich. Der Enddarm selbst fühlt sich aber normal an und weist keine Hinweise auf eine sogenannte Perinealhernie auf; auch ist der Hund nicht verstopft. Es besteht vielmehr der Verdacht, dass sich der rechte Analbeutel abszediert hat und geplatzt ist.
Ultraschall
Da die Hündin nicht kastriert ist, wird zuerst die Bauchhöhle mittels Ultraschall untersucht - eine Gebärmuttervereiterung könnte das reduzierte Allgemeinbefinden durchaus erklären. Der Uterus ist aber unauffällig, weshalb nun auch die Dammregion untersucht wird. Hier ist in der Region rechts und unterhalb des Afters in der Tiefe ein unscharf begrenzter Bereich erkennbar, welcher Flüssigkeit enthält und von gut durchbluteten Gewebesträngen durchzogen ist. Dieser Befund würde mit einem geplatzten Analbeutel und Abszessbildung übereinstimmen.
Therapie
Jakumi wird narkotisiert und die Region ausgeschoren. Zuerst wird versucht, den Ausführgang des rechten Analbeutels mit einer Kanüle zu spülen, um mittels Aufwirbelung der Flüssigkeit im Ultraschall zu beweisen, dass es sich tatsächlich um einen geplatzten Analbeutel handelt - was aber wohl wegen der starken Schwellung misslingt. Unter Ultraschallführung wird der fragliche Bereich vorsichtig punktiert - bei der nun gefundenen Flüssigkeit handelt es sich tatsächlich um Eiter. Im OP wird die Haut im Bereich der eingeführten Kanüle eingeschnitten und das Unterhautgewebe vorsichtig entlang der Kanüle stumpf präpariert, bis wir in gut 2 cm Tiefe auf die Abszesshöhle treffen und grosse Mengen an Eiter und Blut austreten. Anschliessend wird die Wunde ausgiebig gespült und mit einer Drainage versehen. Obwohl sich Jakumi über Nacht trotz angelegtem Body den Drain schon selbst entfernt, heilt die Wunde bei täglicher Spülung in der Praxis nach wenigen Tagen unter Antibiotika und Schmerzmittel gut ab. Eine Abschlusskontrolle zeigt, dass die Schwellung im Dammbereich rechts abgeklungen ist, dem Hund geht es wieder gut.
Wissenschaftliches
Hunde und Katzen weisen im Bereich 4- und 8-Uhr neben dem After zwei sogenannte Analbeutel auf. Dies sind Drüsen, welche durch einen schmalen Ausführgang ein stark riechendes Sekret in den Enddarm und/oder den After absondern. Häufig geschieht diese Absonderung während des Kotabsatzes, manchmal kann das Sekret auch spontan hervorspritzen, wenn das Tier z.B. stark erschrickt. Man geht davon aus, dass das Sekret zur geruchlichen Kommunikation unter den Tieren dient. Die Analbeutel können bakteriell besiedelt werden und anschliessend einen Abszess bilden, welcher platzt und damit eine starke Entzündung in der Unterhaut bewirkt. Infolge dieses lokalen Infektes stirbt meist eine Hautpartie über dem Infekt ab; das Sekret kann somit abfliessen und der Abszess kann abheilen. Interessanterweise zeigen die Tiere bei einem Analbeutelabszess recht häufig nur diskrete Symptome, und die Besitzer werden erst darauf aufmerksam, wenn sich neben dem After eine nässende Wunde gebildet hat.
Bei Jakumi war die Diagnose des Problems wegen der recht diffusen Symptome nicht einfach. Heikel war auch die Behandlung des Abszesses - einerseits wegen der Tiefe, in welcher dieser lokalisiert war, andererseits weil noch kein Durchbruch durch die Haut erfolgt war. So musste für den Eiter ein "Abfluss" in die Haut geschnitten werden, was aufgrund der Nähe zum Afterschliessmuskel, dem Enddarm und dem Scheidengewebe das Potential zu Komplikationen bei Verletzung dieser Organe geboten hat.
© Dr. med. vet. P. Müller / Lyssbachvet