CALI, Hauskatze, weiblich, 10 Monate alt

Eine Mitarbeiterin bringt ihre junge Katze morgens blutend mit in die Praxis - offensichtlich hat sich das Tier auf dem kurzen Morgenrundgang verletzt. Das Tier scheint munter und stabil, blutet aber diffus aus einer Wunde an der Schwanzunterseite. Auch hängt der Schwanz kraftlos am Körper und fühlt sich kühl an; etwa 10 cm vor der Spitze ist ein Knick im Schwanz spürbar.

CALI, Hauskatze, weiblich-kastriert, 10 Monate alt

Untersuch und erste Diagnostik

Da davon ausgegangen werden muss, dass Cali verunfallt ist, wird ein Röntgenbild der Lunge angefertigt - häufig sind Lungenrisse oder -blutungen Folgen eines Autounfalles. Die Lunge ist aber glücklicherweise unversehrt, dafür zeigt sich im Röntgen des Becken-Schwanzbereichs dass die Katze eine Luxationsfraktur des Schwanzes (sowohl Ausrenkung eines Schwanzgelenkes als auch Bruch eines Schwanzwirbels) zugezogen hat und durch die Wunde an der Schwanzunterseite Luft in die Unterhaut gelangt ist.

JIMI, Hauskatze, männlich-kastriert, 7 Jahre alt

Genauere Untersuchung und provisorische chirurgische Versorgung

In Narkose wird der Schwanz ausgeschoren. Nun wird ersichtlich, dass dieser schwer beschädigt worden ist - durch Zugkraft wurde die Schwanzwirbelsäule im hinteren Drittel gebrochen und luxiert; zu allem Unglück ist auch die Haut an der Schwanzwurzel-Unterseite vom Körper abgerissen - hier klafft nun eine diffus blutende Wunde. Durch das Reissen an der Haut ist diese offenbar auf der ganzen Länge nicht mehr richtig durchblutet und fühlt sich kühl an. Als positiv kann gewertet werden, dass einige Millimeter Haut um den After und der After selbst unverletzt scheinen.

Der Schwanz wird in einem kurzen Eingriff an der frakturierten Stelle amputiert und die Wunde an der Wurzel von Haaren befreit, gespült und unter Einsetzen einer Drainage genäht; Cali erhält verschiedene Schmerzmittel und ein Breitbandantibiotikum. Klar ist aber, dass das Problem noch nicht gelöst ist, da die Schwanzhaut ungenügend durchblutet erscheint.

Definitive chirurgische Therapie

In den nächsten Tagen verfärbt sich die Haut des Schwanzes langsam dunkel und verhärtet sich - aufgrund der ungenügenden Durchblutung mumifiziert sie und stellt für den Körper eine grosse Belastung dar: Trotz Antibiotika und Fiebersenker entwickelt Cali über 40° Fieber, frisst aber unverdrossen gut. Eine gute Woche später scheint die Mumifikation abgeschlossen und es hat sich eine Demarkationslinie etabliert: Hier an der Schwanzbasis ist nun klar ersichtlich, bis wo die Durchblutung reicht und welche Schwanzbereiche definitiv verloren sind.

In einer weiteren Operation wird nun der Schwanz soweit körpernahe wie nötig amputiert, die Wunde aufgefrischt und mittels einer Verschiebelappen-Technik unter Einlegen von 2 Drains verschlossen. Glücklicherweise finden sich entlang des Afters ca 5 Millimeter intakte Haut, an welcher der Hautlappen befestigt werden kann.

Postoperativ

Weiterer Verlauf

Einige Tage nach der Operation werden die Drains entfernt und 10 Tage postoperativ die Hautfäden - die Wunden sind sehr schön verheilt und Cali kann problemlos Kot und Urin absetzen. Nur an den ungewohnten Anblick ihrer schwanzlosen Katze muss sich die Besitzerin noch gewöhnen.

In Abheilung

Wissenschaftliches

Der Verdacht, dass Cali einen Autounfall erlitten hat, wird durch ein Telefonat eines Nachbarn der Besitzerin am Unfallabend bestätigt: Er hatte zwar das Gefühl, dass er der Katze knapp ausweichen konnte, aber ganz offensichtlich erfasste ein Rad den Schwanz der Katze und blockierte diesen, währenddem der Körper der Katze weggeschleudert wurde. Nur so ist das massive Trauma von Knochen und Haut erklärbar.

Cali hatte trotz allem Glück im Unglück: Zwar kommt dem Schwanz für die Balance und Kommunikation der Katze eine gewisse Bedeutung zu, ein Leben ohne Schwanz ist aber problemlos möglich. Im Extremfall können aber solche Schädigungen lebensbedrohlich sein, beispielsweise wenn der Schwanz komplett abgerissen wird und durch die Dehnung und das Abreissen der Rückenmarksnerven vitale Strukturen wie die Nervenzentren zur Kontrolle von Harnblase und Enddarm beschädigt werden. In diesem Fall kann eine bleibende Blasen- und/oder Darmlähmung entstehen, welche eine Euthanasie des Patienten unumgänglich macht.

© Dr. med. vet. P. Müller / Lyssbachvet

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