Problem des Monats: Antibiotikaresistenz

Anlässlich des Inkrafttretens der Verordnung IS-ABV (Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin, siehe auch die Information auf unserer Website) vom 1. Oktober 2019 möchten wir anstelle eines „Falls des Monats“ auf die gravierende Problematik von Antibiotika-Resistenzen aufmerksam machen.

Wirkmechanismen verschiedener Antibiotika (Copyright: B. Wezorke / Gesellschaft Deutscher Chemiker)
Wirkmechanismen verschiedener Antibiotika (Copyright: B. Wezorke / Gesellschaft Deutscher Chemiker)

Was ist ein Antibiotikum?

Ein Antibiotikum ist ein Medikament, welches zur Bekämpfung von bakteriellen Infekten eingesetzt wird. Neben dem Prinzip der Impfung ist die Entdeckung und Entwicklung von Antibiotika wohl die grösste Errungenschaft der Medizin; seit der Penicillin-Entdeckung vor 90 Jahren haben die Präparate unzähligen Menschen das Leben gerettet. Es gibt verschiedene Typen von Antibiotika, welche unterschiedliche Mechanismen zur Zerstörung oder Wachstumshemmung von Bakterien verwenden (siehe Grafik oben). Sie können lokal (zB in Augentropfen) oder systemisch (zB als Tabletten) eingesetzt werden. Je nach Bakterientyp ist ein Antibiotikum gut, schlecht oder gar nicht wirksam weshalb je nach Infekt unterschiedliche Antibiotika eingesetzt werden. Gegen Viren sind Antibiotika unwirksam.

Was ist Antibiotikaresistenz?

Werden Bakterien mit einem Antibiotikum konfrontiert, können sie Mechanismen entwickeln, mit denen sie gegen das Medikament unempfindlich werden. Ursachen dafür können neben einer Unterdosierung auch eine zu kurze Behandlungsdauer oder der Einsatz eines für die entsprechende Infektion nicht geeigneten Medikamentes sein. Besonders gefährlich ist ausserdem der Mechanismus der infektiösen Resistenz: Resistente Bakterien können Teile ihrer Erbsubstanz, welche für die Resistenz verantwortlich sind, an andere (zuvor nicht-resistente Bakterien) weitergeben. Bei diesen Keimen sind nun die entsprechenden Antibiotika ebenfalls wirkungslos.

Zunahme der Antibiotikaresistenz ausgewählter Erreger (Copyright: Center for Disease Control CDC)
Zunahme der Antibiotikaresistenz ausgewählter Erreger (Copyright: Center for Disease Control CDC)
Zunahme der Resistenz auf verschiedene Antibiotika (Copyright: Nature)
Zunahme der Resistenz auf verschiedene Antibiotika (Copyright: Nature)

Zahlen zur Antibiotikaresistenz

2015 starben alleine in Europa über 33‘000 Menschen aufgrund einer Infektion mit antibiotikaresistenten Bakterien. Es wird geschätzt, dass in der Schweiz jährlich ca. 300 Personen aufgrund von Antibiotikaresistenzen ihr Leben verlieren. Das Problem hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verschärft; gleichzeitig erlangen immer weniger neue Antibiotika, gegen die keine Resistenzen vorhanden sind, die Marktreife. Problematisch ist auch die zunehmende Reisetätigkeit der Bevölkerung, da das Problem zB in Indien oder Südostasien aufgrund ungenügender Massnahmen oder schwieriger Umstände noch gravierender ist (Antibiotika können teilweise rezeptfrei in der Apotheke bezogen werden; Industrieabwässer aus der Antibiotikaproduktion werden ungenügend gefiltert). Insbesondere bei Hospitalisierung vor Ort kann sich ein Patient deshalb solche multiresistenten Keime einfangen. Das Problem betrifft nicht nur den Menschen, sondern auch das Tier (siehe z.B. den "Fall des Monats Dezember 2016") - eine schwerwiegende Problematik, da durch das enge Zusammenleben von Mensch und Tier die entsprechenden Keime übertragen werden können.

Todesfälle aufgrund Antibiotikaresistenz in Europa 2015 (Quelle: Lancet/Statista)
Todesfälle aufgrund Antibiotikaresistenz in Europa 2015 (Quelle: Lancet/Statista)
Rückgang der Neuzulassungen von Antibiotika (links), Zunahme der Resistenzen (rechts), Quelle: Infectious Diseases Society of America
Rückgang der Neuzulassungen von Antibiotika (links), Zunahme der Resistenzen (rechts), Quelle: Infectious Diseases Society of America

Was tun?

Wenn die zunehmende Antibiotikaresistenz nicht eingedämmt werden kann, dürften in Zukunft Krankheiten wie Lungenentzündungen, Wundinfektionen oder Tuberkulose wieder Angst und Schrecken verbreiten. Auf verschiedenen Ebenen (WHO, Landesregierungen, Medizinalverbände) sind Bemühungen im Gang, das Bewusstsein für die Problematik zu wecken und Massnahmen zu ergreifen. Wichtig ist, dass die Verschreibung von Antibiotika durch Medizinalpersonen korrekt erfolgt (d.h. nur wenn angezeigt, in der korrekten Dosis und über die korrekte Dauer mit dem korrekten Medikament therapieren) und die Präparate durch Patienten oder Tierbesitzer korrekt eingenommen oder verabreicht werden. Auch als Tierärzte sind wir hier gefordert – beispielsweise brauchen Bissabszesse bei Katzen bei korrekter mechanischer Behandlung (Drainage) häufig keine Antibiotika. Die kürzlich in Kraft getretene IS-ABV-Verordnung des Bundes verlangt im Rahmen von StAR (Strategie Antibiotikumresistenz), dass wir auf elektronischem Weg dem Bund jedes verabreichte Antibiotikum inklusive der Daten wie Dosierung, Behandlungsdauer, Indikation etc. melden müssen. So sollen Daten zum Antibiotikaverbrauch gesammelt werden, damit das Problem effizienter angegangen werden kann und weitere Strategien ausgearbeitet werden können.

© Dr. med. vet. P. Müller / Lyssbachvet

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